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Wenn die Seele leise leidet: Depressionen in den Wechseljahren

  • engaj80
  • vor 2 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Der stille Umbruch

Viele Frauen, die den 45. Geburtstag überschritten haben, merken es zuerst kaum – da ist dieses unterschwellige Gefühl der Gereiztheit, die plötzliche Tränenflut oder das nächtliche Grübeln, das einem den Schlaf raubt. Oft fällt es schwer, die Verbindung zwischen diesen Veränderungen und den Wechseljahren herzustellen. Doch als Psychotherapeutin sehe ich immer wieder: Die Menopause ist nicht nur ein hormoneller, sondern auch ein psychischer Wendepunkt im Leben einer Frau.

Heute möchte ich mit Ihnen teilen, was wir aus der Forschung über Depressionen und Angststörungen in dieser Lebensphase wissen – und wie man mit Mitgefühl, Wissen und gezielter therapeutischer Unterstützung wieder zu innerer Stabilität findet.


Women trapped in depression

Wechseljahre – eine Zeit des Wandels, auch der Psyche

Etwa ein Drittel ihres Lebens verbringen Frauen in der Peri- und Postmenopause. Diese Phase ist geprägt von tiefgreifenden biologischen Veränderungen, aber auch sozialen und emotionalen Herausforderungen. Viele Frauen erleben Hitzewallungen, Schlafstörungen, Gewichtszunahme – doch daneben treten nicht selten auch depressive Verstimmungen und Angstsymptome auf.

Was häufig übersehen wird: Diese Symptome müssen nicht den Kriterien einer klinischen Depression oder Angststörung entsprechen, um belastend zu sein. Schon eine anhaltende Traurigkeit, Lustlosigkeit oder Reizbarkeit kann die Lebensqualität erheblich einschränken


Depression oder depressive Symptome? Ein wichtiger Unterschied

Aus klinischer Sicht sprechen wir von einer Depression, wenn bestimmte Kriterien – etwa aus dem ICD 10 – erfüllt sind: mindestens zwei Wochen anhaltende gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Antriebslosigkeit, Schlaf- und Appetitstörungen, Schuldgefühle oder Suizidgedanken.

Doch viele Frauen in der Menopause erleben subsyndromale depressive Symptome, die zwar nicht „diagnosewürdig“ sind, aber dennoch massiv das tägliche Leben beeinträchtigen.

In einer groß angelegten Studie mit über 500 Frauen zeigten sich bei mehr als einem Drittel depressive Symptome, insbesondere bei niedrigem Einkommen, höherem BMI oder bestehenden gynäkologischen Erkrankungen (Dotlic J, Radovanovic S, Rancic B, Milosevic B, Nicevic S, Kurtagic I, Markovic N, Gazibara T (2021) Mental health aspect of quality of life in the menopausal transition. J Psychosom Obstet Gynaecol. Mar; 42(1):40-49)


Die Rolle der Hormone: Östrogen, Serotonin und das emotionale Gleichgewicht

Warum sind Frauen in den Wechseljahren anfälliger für psychische Beschwerden?

Der Rückgang der Östrogenproduktion beeinflusst direkt die Neurotransmitterbalance im Gehirn – insbesondere Serotonin, Noradrenalin und GABA, die maßgeblich unsere Stimmung steuern. Weniger Östrogen bedeutet oft auch weniger Serotonin, was wiederum zu Reizbarkeit, innerer Unruhe oder depressiver Verstimmung führen kann.

Studien an Tiermodellen zeigten sogar strukturelle Veränderungen im limbischen System – insbesondere in Amygdala und Hippocampus – bei starkem Östrogenabfall.


Zwei Seiten einer Medaille: Angst und Depression

Oft treten Angst und Depression gemeinsam auf. Besonders während der Perimenopause, wenn die hormonellen Schwankungen am stärksten sind, berichten Frauen häufig über Herzklopfen, Unruhe oder das Gefühl, „nicht mehr sie selbst zu sein“. Diese Symptome werden nicht immer als psychisch erkannt, sondern häufig als „typische Wechseljahresbeschwerden“ abgetan. Das ist problematisch, denn unbehandelte Angstsymptome können chronisch werden und das Risiko für Depressionen erhöhen.


Was hilft wirklich? Der Stand der Forschung

Die gute Nachricht: Es gibt wirksame Behandlungen – sowohl hormoneller als auch psychotherapeutischer Natur. Hier ein Überblick über die wichtigsten Optionen:


1. Hormonersatztherapie (HRT)

Die HRT gilt als Therapie der ersten Wahl beim klassischen klimakterischen Syndrom. Studien zeigen, dass sie – insbesondere bei zusätzlichen Symptomen wie Hitzewallungen – auch depressive und ängstliche Symptome lindern kann. Doch die Datenlage ist gemischt: Während einige Studien deutliche Verbesserungen zeigen, finden andere keinen signifikanten Effekt. Hinzu kommen mögliche Risiken (z. B. Brustkrebs oder Thrombose), die individuell abgewogen werden müssen.


Besonders wirksam scheint HRT bei Frauen mit:

  • gleichzeitigen Hitzewallungen

  • prämenstrueller Symptomgeschichte

  • starker hormoneller Instabilität


2. Psychotherapie

Aus psychotherapeutischer Sicht stellt die Verhaltenstherapie Methode mit der besten Evidenz dar, aber auch andere Therapieformen können helfen. In Studien konnte Therapie sowohl depressive als auch Angstsymptome effektiv reduzieren – unabhängig vom hormonellen Status.


Frauen lernen, negative Gedankenmuster zu erkennen, zu hinterfragen und durch realistischere, hilfreichere Sichtweisen zu ersetzen. Oft arbeiten wir auch an Selbstfürsorge, Stressbewältigung und innerer Stabilität.


Besonders hilfreich ist Psychotherapie, wenn:

  • Frauen keine HRT einnehmen können oder möchten

  • psychische Symptome im Vordergrund stehen

  • ein bewusster Umgang mit Stress gelernt werden soll


3. Antidepressiva

Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) werden häufig eingesetzt – vor allem bei moderater bis schwerer Depression oder Angststörung. Diese Mittel beeinflussen nicht nur die Stimmung, sondern wirken auch gegen Hitzewallungen. Allerdings können Nebenwirkungen wie Libidoverlust oder Übelkeit auftreten.


4. Alternative und komplementäre Therapien

Viele Frauen suchen nach „natürlichen“ Alternativen – verständlich. Phytoöstrogene (z. B. aus Rotklee oder Fenchel), Akupunktur, Achtsamkeitstraining und Hypnose wurden in Studien mit teils positiven Effekten untersucht. Wichtig: Diese Methoden können unterstützend wirken, ersetzen aber keine evidenzbasierte Haupttherapie bei schweren Symptomen.


Was bedeutet das für Sie persönlich?

Als Heilpraktikerin für Psychotherapie ist es mir wichtig zu betonen: Es gibt keine universelle Lösung – sondern nur individuelle Wege. Jede Frau bringt ihre eigene Biografie, Konstitution und Lebensrealität mit.


Was für die eine hilfreich ist, wirkt für die andere nicht – und genau deshalb ist eine genaue Diagnostik, Aufklärung und partizipative Therapieplanung so entscheidend.


Praktische Empfehlungen für Ihren Alltag


  1. Hören Sie auf Ihren Körper. Wenn sich Stimmungsschwankungen, Ängste oder depressive Phasen über Wochen hinweg nicht bessern, holen Sie sich Unterstützung.

  2. Sprechen Sie offen mit Ihrer Ärztin oder Therapeutin. Auch wenn Ihre Symptome „nicht schlimm genug“ erscheinen – sie sind es wert, ernst genommen zu werden.

  3. Denken Sie ganzheitlich. Ernährung, Bewegung, Schlaf und soziale Kontakte beeinflussen Ihre seelische Gesundheit maßgeblich.

  4. Nehmen Sie sich ernst. Sie sind nicht „hormonell überempfindlich“ – Ihre Beschwerden haben biologische, psychische und soziale Ursachen.


Fazit: Es ist okay, sich Hilfe zu holen

Die Wechseljahre sind ein Umbruch – aber kein Untergang. Ja, sie bringen Herausforderungen mit sich, aber auch die Möglichkeit zu innerem Wachstum und Neubeginn.


Wenn depressive oder ängstliche Symptome auftauchen, heißt das nicht, dass Sie „schwach“ sind. Es bedeutet lediglich, dass Ihr System – hormonell, psychisch und sozial – aus dem Gleichgewicht geraten ist. Und das kann behandelt werden.


Ich möchte Sie ermutigen: Gehen Sie diesen Weg nicht allein. Ob durch Gesprächstherapie, Medikamente oder einen ganzheitlichen Lebensstil – es gibt viele Wege zurück zu einem Leben in Balance.

 
 
 

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